Wo geht die Reise hin? Nahrungs- und Genussmittelbranche im ewigen Dilemma der Produktinnovationen. Ist der Convenience-Rausch der Industrie die richtige Richtung? Oder sollte man sich mal wieder etwas zurücknehmen und den Fokus auf die Qualität der Grundprodukte richten? Ich glaube, der Verbraucher und Konsument hätte es verdient und auch bitter notwendig. Ich stelle mal die These in den Raum, dass es einige Branchenriesen in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich geschafft haben, einer ganzen Generation das Kochen abzugewöhnen und gleichzeitig auch das Wissen über Grundzutaten für Gerichte verblassen zu lassen. Gelungen ist das mithilfe einer Systematik, die, wenn man es mit den Augen eines Wirtschaftswissenschaftlers betrachtet, durchaus Sinn macht, denn die Margenschöpfung in Milliardenbereichen ist enorm.
Sieht man es aber aus der gesellschaftspolitischen Ecke heraus, dann kommt einem das kalte Grausen. Menschen, die wie gebannt vor dem Fernseher sitzen und auf einen Koch glotzen, der ihnen zeigt, wie einfach man aus echten Kartoffeln und heißem Wasser am Ende mit einer Butterflocke und Salz und Pfeffer sowie einem Hauch Muskat einen sensationellen Kartoffelbrei machen kann. Wie konnte das passieren? Der Begriff „was Großmutter noch wusste“ beschreibt das Dilemma meiner Meinung nach ganz gut. Denn Mutter weiß es schon nicht mehr und Tochter/Sohn fangen heute bei null an, haben aber erstaunlicherweise wieder Interesse am Selbstgemachten vom eigenen Herd. Und dabei meine ich bitte nicht das Aufreißen von zwei Tüten und das Zugeben von Wasser oder feiertags auch von etwas Sahne.

Das Interesse an sicheren Lebensmitteln und die Sorge um deren Herkunft hat sich zu einem Dauerthema in unserer Esskultur entwickelt.

Hanni RützlerFOODREPORT 2019

Und dann sind da noch die bis heute nicht identifizierten Langzeitfolgen des fortwährenden Konsums von auf der Packungsrückseite aufgeführten Zutaten, die ich kaum aussprechen kann oder möchte. Eines Tages werden Studien feststellen, dass der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wurde, wenn durch Glutamatreaktionen des Körpers eine Vielzahl von Unverträglichkeiten ausgelöst wurden, die wiederum mit Produkten desselben Herstellers dauerhaft kompensiert wurden. Intoleranzen en masse lösen schon wieder den nächsten Hype aus. Das hat schon etwas Perfides.
Alle stehen auf Produkten aus Manufakturen, lieben Geheimtipps beim Reisen, hören Indie-Musik … und reißen zu Hause dann diverse Packungen auf, weil sie gar nicht wissen, dass man, um nochmals darauf zurückzukommen, Kartoffelbrei wirklich auch aus Kartoffeln machen kann. Jeder Hersteller hat auch eine Verpflichtung dem Verbraucher gegenüber. Warum nicht mal auf einen Teil der meist eh schon üppigen Marge verzichten und Umwelt und Verbraucher Gutes tun. Der langfristigere Erfolg wäre damit sehr sicher.

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